Praxistipps: So erhöhen Sie die Narkosesicherheit Ihres Tieres

 

 

Viele Eingriffe in der Tiermedizin können nur unter einer Narkose stattfinden, weil wir unseren vierbeinigen Patienten nicht erklären können, was passiert.

 

Auch für Mitarbeiter einer Tierarztpraxis/Tierklinik ist es eine besondere Situation, wenn die eigenen Tiere eine Narkose brauchen. Es gibt Kollegen, die bei der Narkose ihrer eigenen Tiere nicht anwesend sein möchten, während andere – falls möglich – am liebsten selbst operieren.

 

 

Eine Narkose ist, einfach ausgedrückt, eine gesteuerte Bewusstlosigkeit mit Schmerzausschaltung und Muskelentspannung. Bei einer Beruhigungsspritze oder sogenannten Sedation fehlt eine dieser drei Komponenten.

 

Obwohl Komplikationen bei Narkosen/Sedationen extrem selten auftreten, sind diese nicht ohne Risiken. Das „Narkoserisiko“ muss also gegen einen potenziellen Eingriff abgewogen werden. Für manche Patienten besteht ein erhöhtes Narkoserisiko aufgrund einer Vorerkrankung.

 

Oft kann man dieses Risiko schmälern; nicht nur durch eine spezielle Narkose und Überwachung, sondern auch mit einer vorherigen medikamentösen Behandlung.

 

 Das Märchen von leichten- und schweren Narkosen

 

Oft werde ich gefragt, ob ich bei einem anstehenden Eingriff nicht bitte eine „leichte Narkose“ anwenden könnte.

 

Grundsätzlich gilt: eine Narkose wird so leicht wie möglich und so schwer wie nötig gestaltet. Da es sich bei operativen Eingriffen um Präzisionsarbeit handelt, die durch kleinste Bewegungen gefährdet werden kann, muss der Patient ausreichend narkotisiert sein.

 

Spezialist Narkose Risiken

 

Dass ein Patient ausreichend tief schläft, ist nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch des Tierschutzes.

 

Bei der OP- und Narkoseplanung wird berücksichtigt, wie stark der zu erwartende Schmerz ist, ob Vorerkrankungen oder Risiken bestehen und wie aufgeregt der Patient ist. Das Alter, die Rasse und die Größe spielen dabei auch eine wichtige Rolle.

 

Hat Ihr Tier einen Notfall und muss ungeplant operiert werden, hilft leider nur eines: Durchatmen.

 

Eine Not-OP wird durchgeführt, wenn die gesundheitliche Situation keinen anderen Ausweg bietet. Das Risiko / der Schaden für Ihr Tier wäre in diesem Moment also ohne OP größer.

 

Auch wenn es sich für Sie so anfühlt, als passiere alles sehr schnell, sind „Not-OPs“ normalerweise sehr gut organisiert. Bereits bei der OP-Vorbereitung sind meistens mehrere Team-Mitglieder beteiligt, sodass der Aufbau um ein Vielfaches schneller erfolgt. Die Anmeldung und das Team aus der Behandlung werden parallel informiert, weil andere Praxisabläufe oft umorganisiert werden müssen und die bestehenden Behandlungstermine von anderen Kollegen übernommen werden müssen.

 

Risikonarkose Hund Katze Zähne Nierenkrank Herzpatient
© HansLinde / www.pixabay.com

 

Risikopatienten

 

Wenn ein Gesundheitszustand vorliegt, welcher das „allgemeine Risiko“ erhöht, dass der Patient an Narkosekomplikationen leidet oder gar daran verstirbt, ist von einer „Risikonarkose“ die Rede. Dies bedeutet nicht, dass es tatsächlich zu Komplikationen während oder nach der Narkose kommen wird, jedoch ist die Chance in diesen Fällen leider erhöht.

 

Äußert Ihr Tierarzt Bedenken zu einem Eingriff, können Sie nachfragen, ob es Spezialisten für Ihren Fall gibt.

 

Oft lässt sich das Risiko durch spezielle Untersuchungen vor dem Eingriff schmälern. Dazu gehören zum Beispiel der Herzultraschall, das Lungenröntgen, Blutuntersuchungen u. a.

 

Möglicherweise wird Ihr Tierarzt Sie an einen Spezialisten überweisen, wenn er/sie eine erhöhte Gefahr bei Ihrem Tier sieht. Bestimmte Risikopatienten verlangen besondere Narkosen und Überwachungsmöglichkeiten.

 

Pfötchen halten ist nicht immer möglich. Klären Sie im Vorfeld ob Sie beim Einschlafen/ Aufwachen dabei sein können.
Pfötchen halten ist nicht immer möglich. Klären Sie im Vorfeld ob Sie beim Einschlafen/ Aufwachen dabei sein können.

 

Die Vorbereitungsphase

 

Wenn es sich um einen „geplanten Eingriff“ handelt, können Sie sich gut vorbereiten.

 

Klären Sie im Vorfeld mit der betreuenden Praxis/Tierklinik alle Fragen. Ein Fragezettel ist nicht peinlich und hilft Ihnen, sich an alle Fragen zu erinnern.

 

Am OP-Tag selbst geht es darum, dass Ihr Tier stressfrei (und somit zügig) schlafen gelegt wird. Idealerweise sollten bis dahin also alle Fragen beantwortet sein.

 

Vor dem OP-Tag sollte bereits mit der Praxis/Klinik Folgendes geklärt sein:

 

- Gibt es Medikamente, die Sie am Tag verabreichen sollen oder nicht verabreichen dürfen?

 

- Wann darf Ihr Tier zum letzten Mal Futter (inklusive Leckerlies!) und Wasser bekommen? Hunde und Katzen werden normalerweise nüchtern gelassen. Heimtiere und sehr junge Welpen hingegen nicht!

 

- Dürfen Sie beim Einschlafen/Aufwachen dabei sein?

 

- Wer ist Ihr Ansprechpartner und wer führt die OP/Zahnbehandlung durch?
In einigen Tierkliniken lernen Sie den Chirurgen Ihres Tieres nicht kennen. Manchmal wird Ihnen dies in der Hektik nicht einmal mitgeteilt.

 

Die OP-Vorbereitung fängt schon Zuhause an

 

Auch wenn es Ihnen sehr schwerfällt und das Frühstück für Ihren Schatz vielleicht ausbleibt, versuchen Sie Ihrem Tier möglichst seine Alltagsroutine zu vermitteln, denn das gibt Halt.

 

Grundsätzlich sollten Sie direkt vor der OP versuchen, jegliche Belastungen Ihres Tieres auf ein Minimum zu begrenzen. Belastungen zerren nämlich an der Energie und den Reserven des Körpers, welche später benötigt werden.

 

Gibt es andere Tiere, Ihre Katze/ Ihren Hund/ Ihr Heimtier bedrängen oder stressen, dann verhindern Sie den Kontakt. Bei Heimtieren hat sich eine Abschirmung mit Sicht zum Partner bewährt.

 

Haben Sie mehrere Hunde und Katzen, sorgen Sie dafür, dass das zu operierende Tier kein Futter/ Leckerchen klauen kann. Füttern Sie vorsichtshalber das andere Tier in einem separaten Raum. Manche Tiere räumen vor Hunger auch den Mülleimer aus oder springen auf den Tisch und bedienen sich. Ist dies der Fall, informieren Sie die Praxis/Klinik vor dem Eingriff.

Nehmen Sie für die Aufwachphase ein Hemd oder Handtuch mit, dass nach Zuhause riecht. Bitte nur aus unempfindliche Materialien, welche auch verschmutzt werden dürfen.

 

Manche Freigänger riechen den Braten und kommen am OP Tag nicht nach Hause...
Manche Freigänger riechen den Braten und kommen am OP Tag nicht nach Hause...

 

Bei Katzen sollten Sie darauf achten, dass Freigänger die Nacht vorher drinnen bleiben. Sie wissen nicht, wie sie draußen die Nacht verbringen und ob sie woanders etwas fressen. Packen Sie die Transportbox mindestens 7 bis 10 Tage im Vorfeld aus und lassen Sie diese gut sichtbar stehen. Dadurch normalisiert sich der Anblick. Die Transportbox mit einem Tuch abdecken um vor Sonne, Regen, Wind und Kälte schützen.

 

Bei einem Mehrkatzenhaushalt wird der Heimkehrer manchmal „verprügelt“, weil er „nach Tierarztpraxis“ riecht. In so einem Fall sollten Sie die andere Katze (in einem separaten Transportkorb!) mit zur OP-Abgabe nehmen. Es genügt meist, sie in der Box mit in den Behandlungsraum zu nehmen. Dann riechen beide Katzen nach der Tierarztpraxis und lassen sich eher in Ruhe. Alternativ können Sie die Katzen bei der Heimkehr auch einfach räumlich trennen.

 

So bitte nicht! Schnee macht glücklich, aber kalt und nass sollte keiner in eine OP gehen.
So bitte nicht! Schnee macht glücklich, aber kalt und nass sollte keiner in eine OP gehen.

 

Für Hunde gilt: die Nase ins Grüne stecken tut gut und entspannt. Auch ist es wichtig, dass die Blase leer ist und nicht drückt. Vorher also einen kleinen Spaziergang einplanen. Vermeiden Sie aber Anstrengungen: keine belastenden Fahrradtoure oder stundenlange Waldgänge vor der OP. Achten Sie auf das Wetter! Ist es sehr heiß/kalt/nass, dann zerrt dies mehr. Ein Mäntelchen kann bei Feuchte/Kälte helfen. Im Sommer sollten Sie Ihr Tier allerdings nicht nass machen/kühlen. Suchen Sie eher schattige Plätze auf.

 

© JackknifeS / www.pixabay.com
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Bei Heimtieren ist der Kontakt zum Partner besonders wichtig. Wenn es sich nicht um eine Konstellation handelt, in der einer den anderen stark bedrängt oder verletzt, dann bringen Sie den Partner am OP-Tag mit. Achten Sie auf ein stabile, komplett verschlossene Transportbox, in welcher beide Tiere bequem Platz finden. Haben Sie eine größere Gruppe, dann suchen Sie das Tier aus, mit dem das zu operierende Tier am meisten Kontakt hat.

 

Die Transportbox mit einem Tuch gegen Sonne, Regen, Wind und Kälte schützen. Schön ist es auch, wenn es möglich ist, das Partnertier dabei zu haben, wenn das zu operierende Tier wach geworden ist. Natürlich nicht sofort nach der OP, aber wenn das Bewusstsein wieder komplett erlangt ist. Leider ermöglich nicht jede Operation und Praxis/Klinik diese Situation.

 

Heimtieren sollte man übrigens bis zum Schluss ermöglichen, zu fressen! Geben Sie vorsichtshalber Ihr gewohntes Futter mit, falls Ihr Tier doch länger in der Praxis/Klinik bleiben muss als gedacht. Werden Ihre Heimtiere üblicherweise draußen gehalten, sollten Sie auf das Wetter achten. Entweder muss die Schlafmöglichkeit gut isoliert sein oder die Tiere schlafen eine Nacht im Haus.

 

 Die Narkoseeinleitung

 

Vor der Narkose wird der Tierarzt Ihren Liebling erneut untersuchen und die Narkose an das aktuelle Gewicht anpassen. Möglicherweise werden noch weitere Untersuchungen, beispielsweise Blutuntersuchungen, eingeleitet.

 

Am eigentlichen OP-Tag erhält Ihr Tier üblicherweise einen Venenzugang und eine Beruhigungsspritze zur Stresslinderung. Die eigentliche Narkose erfolgt dann über eine Gas- oder Dauertropfnarkose.

 

Ob Sie beim Einschlafen dabei sind oder nicht, hängt von Ihrem Tieres und der Organisation der jeweiligen Praxis/Klinik ab. In Tierkliniken ist das nicht immer möglich, weil es hinter der Kulisse oft stressiger abläuft.

 

Während des Eingriffs

 

Während der Narkose bekommt Ihr Tier über einen Venenzugang intravenöse Flüssigkeit, um den Kreislauf, die Nierenfunktion und den Blutdruck zu unterstützen.

 

 

Ein Tubus, welcher in die Luftröhre geschoben wird, ermöglicht es, Sauerstoff und Narkosegas zu verabreichen und kann beim Atemstillstand zur Beatmung verwendet werden. Bei Zahnbehandlungen verhindert er, dass der feine Sprühnebel vom Zahnsteinentfernungsgerät, welcher mit Mundbakterien behaftet ist, eingeatmet wird. So werden mögliche Lungenentzündungen verhindert.

 

Überwachungsgeräte helfen, die Vitalwerte des Patienten zu kontrollieren. Der Patient wird weich und warm gelagert, damit keine Druckstellen entstehen und die Temperatur möglichst stabil bleibt. Dünnhäutige Patienten wie Windhunde oder Nacktkatzen müssen besonders weich gelagert werden, um keine Druckstellen zu kriegen. Patienten mit orthopädischen Problemen müssen besonders vorsichtig gelagert werden, ansonsten kann es zu schlimmen Verspannungen kommen.

 

Sorgen Sie dafür, dass Ihr Handy aufgeladen ist und Sie Empfang haben. Dies klingt vielleicht simpel, aber ich habe Situationen erlebt, in denen Besitzer für Rückfragen nicht erreichbar waren. Achten Sie bitte darauf, dass die Praxis/Klinik Ihre aktuelle(n) Telefonnummer(n) hat.

 

Wie können Sie das Risiko für Ihren Liebling verringern?

 

- Wenn es in der Vergangenheit Reaktionen oder gar Komplikationen auf eine vorherige Narkose oder Sedation gegeben hat, dann sagen Sie dies im Vorfeld. Fragen Sie den behandelnden Tierarzt, woran es gelegen haben könnte, und notieren Sie die Antwort inkl. Medikamentenangaben. Wenn Ihr Tier notfallmäßig am Wochenende oder Feiertag operiert werden muss, dann wäre es gut, wenn Sie diese Information direkt zur Hand haben.

 

- Weisen Sie auf jegliche Medikamente hin, welche Ihr Tier aktuell verabreicht bekommt. Bitte teilen Sie auch mit, ob Ihr Tier einmal schlecht auf Medikamente reagiert hat.

 

- Halten Sie sich an die Angaben Ihrer Praxis/Klinik vor der Narkose (nüchtern halten, Medikamentengaben etc.). Hat Ihr Tier dennoch Futter aufgenommen, müssen Sie dies zur Sicherheit mitteilen!

 

- Halten Sie das Gewicht Ihres Tieres im Rahmen. Übergewichtige Tiere haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen durch Narkosen. Braucht Ihr Tier eine Not-OP könnte sein Übergewicht problematisch werden.

 

- Vorsorgeuntersuchungen bei Ihrem Tierarzt ermöglichen es Ihnen, Eingriffe geplant und unter gutem gesundheitlichem Zustand durchführen zu lassen. Unbehandelte chronische Entzündungen schwächen auf Dauer den Organismus Ihres Tieres.

 

-Leidet Ihr Tier an einer chronischen Krankheit (IBD, Leishmaniose, Autoimmunkrankheiten, Epilepsie etc.), müssen Sie besonders achtsam sein. Narkosen können einen Krankheitsschub begünstigen und sollten daher besonders vorsichtig berechnet werden. Trotzdem kann es aber mit der Zeit genauso belastend sein, sich gegen eine Narkose/Behandlung zu entscheiden. Falls Ihr Tierarzt Sie an einen Spezialisten überweist, müssen Sie erwähnen, dass Ihr Tier chronisch krank ist.

 

In Teil 2 geht es um die Aufwachphase und die Erholungszeit Zuhause

Helfen Sie mir dabei andere Menschen für die Gesundheit von Tieren zu sensibilisieren.

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© Alexandra Hodeau, Tierärztin